Aurora-bedingte Farbverfälschung entpuppte sich als Windows Sperrbildschirm

Der kalte Februar lockte mit scheinbar perfekten Bedingungen für die Zigarrengalaxie Messier 82. Geplant war ein mehrtägiges fotografisches Projekt, um die Galaxie optimal abzubilden. Die Wetterlage, das Montierungs-Guiding, die Himmelsqualität – alles schien zu passen. Doch das Universum – oder genauer gesagt, meine eigene Dummheit – sorgte für eine unerwartete Wendung. Wie aus diesen vielversprechenden Aussichten letztendlich nur eine einzelne Nacht mit mageren acht Stunden Belichtungszeit wurde, erzähle ich euch in meiner Geschichte.

Die vielversprechende Nacht begann mit dem gewohnten Prozedere einer jeden Astrofotografie-Session: Ich öffnete die Kuppel meiner Balkonsternwarte, befreite mein Teleskop von seiner Abdeckung, aktivierte die Technik und ließ mich auf dem Hocker in meinem Kontrollraum nieder.

Blick auf den Kontrollraum

Den Kontrollraum muss man sich wie einen Minianbau vorstellen, welcher von der Sternwarte aus in leicht gebückter Haltung begehbar ist. In diesem saß ich dann und bereite mit der Sequenzierungssoftware N.I.N.A. die kommende Nacht vor.

Natürlich bleibe ich nicht die ganze Nacht in diesem kleinen Kontrollraum, auch wenn ich mir diesen recht wohnlich eingerichtet habe, sondern verschwinde nach den ersten erfolgreichen Aufnahmen in den größeren, beheizten und bequemeren „Überwachsraum“ Namens Wohnzimmer.

Mit dem Microsoft-Remotedesktopclient und der dazugehörigen iPad App Namens Windows, werden dann die Aktivitäten des N.I.N.A. Rechners super bequem von der Couch aus überwacht.

Sau bequem

Einziger Nachteil der gelebten Astrofotografie-Annehmlichkeit, ich muss regelmäßig meine Komfortzone verlassen. Die manuelle Kuppel meiner Sternwarte erfordert, dass ich sie etwa alle halbe, wenn das Objekt günstig steht alle Stunde, nachdrehen muss.

Auf meinem Sofa vertrieb ich mir die Zeit mit YouTube. Vermutlich lief wieder einer der üblichen Astro-Kanäle mit Leuten wie Dennis, Sascha, Frank, Daniel, Mario oder auch Peter von der Sternwarte Hof, als ich nach knapp 20 Minuten eine merkwürdige farbliche Lichtreflex am Livebild meiner Remote-App bemerkte.

Diese begann nur sehr zögerlich am rechten unterem Bildschirmrand und wurde von Bild zu Bild immer intensiver.

unerwünschte bunte Reflexionen

Natürlich dachte ich sofort an Nordlichter, schließlich waren sie erst tags zuvor für die kommenden Nächte angekündigt worden. Also ging ich nach draußen, blickte in den tiefschwarzen Nachthimmel und sah… nichts! Kein Schimmern, kein Leuchten. Es war definitiv nicht so wie im Mai letzten Jahres, als Aurora Borealis mir ebenfalls eine Aufnahme versaut hatte. Es war eine Nacht wie sie zu erwarten war. Dennoch waren diese im Bild sichtbar, und da ich erst vor kurzem von einem gutmütigen f/6,7 Schmidt-Cassegrain zu einem aggressiven f/4,5 Newton Lichtsammler umgestiegen bin, dachte ich mir, dass dessen höhere Lichtempfindlichkeit vielleicht Details zeigen könnte, zu welche der Schmidt-Cassegrain einfach nicht in Lage gewesen wäre. Es ist halt so wie es ist! Höhere Gewalt, dachte ich mir und so beendete ich den Abend mit der erheiternden Erkenntnis das ich Nordlichter mittlerweile doof finde.

Die nächsten zwei Nächte waren dann trotz der Vorhersage eher ungeeignet für astrofotografische Ausflüge und so dauerte es bis zur dritten Nacht, bevor ich an meinem Projekt, der Zigarrengalaxie, weiterarbeiten konnte. Wie schon vor drei Nächten bereitete ich alles vor und so wie vor drei Nächten lief alles perfekt und die ersten Aufnahmen zeigten ein hervorragendes Bild.

Ich saß also abermals am Sofa und ließ mich abermals für einen Moment von Streamingdiensten ablenken – für 12 Minuten. 12 Minuten ist genau die Zeit, die sich die Aufnahme diesmal mehr Zeit ließ um mir abermals eine Farbreflexion zu bieten.

nicht schon wieder…

Dieses mal konnte ich aber nicht wieder an einem Polarlicht glauben, zumal auch diesmal so gar nichts am Firmament darauf hindeutete. Ich suchte fieberhaft nach einer anderen Erklärung. Vielleicht meine Überwachungskamera die bei Dämmerung auf Infrarotlicht zurückgreift? Nein, auch hier brachte ein abschalten des Infrarotlichtes keine Änderung.

Vielleicht die Straßenlaterne? Welche erst vor kurzem „billigst“ auf die moderne LED-Technik umgerüstet wurde? Hier bei uns im Dorf wurde nämlich nicht auf eine komplette Modernisierung der Straßenbeleuchtung zurückgegriffen, bei der die komplette Leuchteinheit mit gezielt nach unten gerichteten LED´s getauscht wurde, sondern auf ein einfaches Auswechseln der Natriumdampfbirne gegen eine LED-Birne. Aber auch diese Spur führte ins Leere, denn von der Sternwarte aus ist sie eigentlich nicht sichtbar.

Es wurde immer schlimmer

Mittlerweile wurde das Livebild immer alptraumhafter und meine Verzweiflung immer größer. Obwohl ich schon ahnte, dass es nichts mehr werden würde, ließ ich die Aufnahmen noch eine Weile laufen, musste dann aber doch resigniert abbrechen, da mir klar war das ich mit solchen Einzelbelichtungen kein vernünftiges Endresultat hinbekommen werde.

Die nächsten Tage zermarterte ich mir den Kopf darüber woran mein Scheitern gelegen haben könnte. Verlor aber mit jedem Tag die Hoffnung daran auch eine Lösung finden zu können. Vielleicht war die kleine LED-Leuchte an meiner Montierung schuld oder der Nachbar, welcher meint sein nächtlich beleuchteter Baum gäbe einen tollen Anblick, aber auch hier gab es keinen eindeutig zu identifizierenden Übeltäter.

Meine Verzweiflung war beinahe so groß, dass ich mir sogar überlegte wieder zu einer lichtschwächeren Optik zu wechseln. Bis, ja bis mein Laptop in den Ruhemodus wechselte. Sofort fiel mir das markante Lila und Blau des Sperrbildschirms auf. Das kann doch nicht wahr sein, dachte ich mir! Mir war sofort klar das auch mit dem Zugriff des iPads der Rechner in den Ruhemodus wechselt und ebenfalls den gleichen Blau-Lila Bildschirm zeigen würde! Wenn das tatsächlich der lang gesuchte Übeltäter sei, dann wäre meine tagelange Grübelei umsonst gewesen und die Lösung so banal wie frustrierend nah.

So wie in dem nachgestellten Bild hat es vermutlich ausgesehen, nur weniger hell

Mittlerweile waren schon knapp 10 Tage seit meinem letzten Scheitern vergangen und in einer weiteren wolkenlosen Nacht, begab ich mich abermals in die Sternwarte. Diesmal wurde aber das typische blau-lila Eclipse Sperrbild, gegen ein einfaches schwarzes Bild getauscht. Wie in den Nächten zuvor, wechselte ich nach den ersten erfolgreichen Lights ins Wohnzimmer und lies das Livebild auf mein iPad übertragen.
Die Zeit verging gefühlt viel langsamer als sie sollte! 5 Minuten, 10 Minuten, 30 Minuten, alles sah gut aus. 45 Minuten, so langsam machte sich Zuversicht in mir breit. 60 Minuten, immer noch kein auftauchen des vermeintlichen Polarlichts! Als dann nach 2 Stunden immer noch ein tadelloses schwarzer Hintergrund zu sehen war, fiel mir der berühmte Stein der Erleichterung vom Herzen, genauso wie die Erkenntnis darüber wie schrecklich einfältig ich doch war.

Natürlich musste das Problem auch für immer gebannt werden, und mich allein darauf zu verlassen, dass der Sperrbildschirm schwarz bleiben würde, war mir dann doch zu wenig. Zumal es ja auch noch andere Lichtquellen aus dem Kontrollraum geben könnte. Also verlangte der Heimwerker in mir nach einer adäquaten und vor allem nicht-elektronischen Lösung, und so wurde kurzerhand ein blickdichter Vorhang zwischen Sternwarte und Kontrollraum angebracht, der je nach Bedarf ganz geschlossen oder komplett aufgezogen werden kann

Kein Photon verlässt mehr den Kontrollraum

Klar bin ich froh darüber, dass der Fehler so einfach zu beheben war, aber dennoch waren es mehrere Nächte, und damit Stunden an Belichtungen, die ich für mein Foto hätte nutzen können. So wurden es eben nur knapp 8 Stunden.

8 Stunden M82

Tja, so kann es gehen im digitalen Zeitalter der Astrofotografie. Da kämpft man gegen Lichtverschmutzung, atmosphärische Turbulenzen und teure Technik – nur um dann von einem schlichten Ruhemodus ausgebremst zu werden. Aber hey, immerhin eine gute Geschichte für den nächsten Astro-Stammtisch!


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